Rechtsstreit in Oberdorla
Unbestreitbar ist, daß die Vogteier bei all den Auseinandersetzungen mit ihren Landesherren um 1786 ein hohes Maß an Mut, Solidarität und Opferbereitschaft aufgebracht haben. Dies haben auch Vertreter der Obrigkeit mit Anerkennung und Respekt zur Kenntnis genommen. So schreibt der bereits genannte und an den Auseinandersetzungen unmittelbar beteiligte kür sächsische Kreisamtmann Just:
„Daß ein Völckchen von 2]/2-3000 Seelen 2V2 Jahr zween mächtigen Landesherren, welche eben darum, weil sie Landesherren waren, zu gewaltsamen Mitteln nicht vorschreiten und kein Menschenblut vergießen wollten, standhaft trotzet; daß es, ohne sich zu erschöpfen, ein ganzes Jahr 14 Mann, dann wieder ein ganzes Jahr 300 Mann, endlich 5 Monate 200 Mann verpflegt, dabei den Hauptzweig seiner Nahrung, den Holzhandel, ein ganzes Jahr hindurch entbehrt und zweimal Auspfändungen erträgt; daß es, von allem auswärtigen Beistand verlassen, auf seinen Meinungen und Widersprüchen besteht; daß es seine bis jetzt verborgenen Anführer nicht verrät; daß es bei der unzertrennlichen Verkettung (denn in dem ganzen Zeitraum sind kaum 50 Menschen von dem großen Haufen zu trennen gewesen) und bei einer undurchdringlichen Verschwiegenheit den angenommenen Plan verfolgt; daß es, einige unruhige Auftritte und von einzelnen Mitgliedern ausgestoßene aufrührerische Reden ausgenommen, sich zu einer förmlichen Rebellion nicht verleiten läßt und doch in steter Widersetzlichkeit gegen die Befehle ihrer Landesherrn, oft unter der Maske der tiefsten Ehrerbietung, fest beharrt, daß es, um gewisse schätzbare Freiheiten für die
künftigen Generationen zu erlangen, einen Teil von dem Wohlstande des jetzigen Menschenalters gern aufopfert, - das alles verdient gewiß Bewunderung... "13)
Die Vogteier gedenken in Dankbarkeit des mutigen Kampfes ihrer Vorfahren zur Verteidigung wohlerworbener Rechte und Güter. Aus Anlaß des 1.00. Jahrestages des Abzugs des großen Exekutionskommandos aus der Vogtei wurde 1886 auf dem Anger in Oberdorla - dem größten und schönsten in ganz Thüringen - ein Denkmal auf dem Anger errichtet, auf dessen Rückseite folgendes zu lesen ist:
„Zum Gedächtnis dessen, was ihre Ahnen zu
ungeschmälerter Erhal
tung alter Güter und Rechte zur Zeit
dreiherrschaftlicher Regierung
und deutscher Zerrissenheit, insbesondere in den Tagen des großen.
Exekutionskommandos im Jahre 1786, erlitten
und erstritten. Gestiftet ,
von den dankbaren Einwohnern Oberdorlas im Jahre 1886. "
Auch anläßlich der 200-jährigen
Wiederkehr dieses Ereignisses fand im Jahre 1986 in Oberdorla
eine Festveranstaltung statt. Das stark beschädigte Denkmal wurde
renoviert und in einer Ausstellung wurden die damaligen Ereignisse
anhand von Zeitdokumenten und Fotokopien erläutert. Das Verhalten der
Exekutionstruppen hat noch im heutigen Sprachgebrauch der Vogteier
seine Spuren hinterlassen. Wenn z. B. ein Kind jemandem ständig mit Quengeleien auf die Nerven geht,
dann sagt man: „Du bist wie ein
Exkuter!"14)
( Aus „Die Vogtei“ von Martin Herwig Reprint 2005
Rockstuhlverlag, Mühlausen/Thür.)