Über den Vogteier  (u.a. Oberdorlaer)  Menschenschlag

Der am Ende des 18. Jahrhunderts für die Vogtei zuständige Beamte des Kiirfurstentums Sachsen, August Cölestin Just, gab über die Vogteier folgendes Urteil ab:

„Die Nation hat einen ausgezeichneten Charakter, Treue und Ehrlich keit, Betriebsamkeit, Reinlichkeit, Keuschheit, Pünktlichkeit in der Ent richtung der eingeführten Abgaben, äußerliche Religiosität undskru pulöse Gewissenhaftigkeit bei Ablegung eines Eides!"

Er fugte aber auch hinzu:

„Hartnäckigkeit, Trieb zu Freiheit und Unabhängigkeit, Luxus, beson ders im Essen und Trinken, republikanischer Geist, unzertrennlich Verkettung aller Glieder der Gemeinde, Verschwiegenheit, Argwoh und mehr als bäurische Feinheit zeichnen sie vor vielen tausend Völ kerschafien aus. "2)

 

Und  weiter  Carl  Rümpler

 

 Ein fleißigeres, biederes Landvolk, als die Voigteier sind, findet man so leicht nicht. Hauptzüge    ihres Charakters sind: tiefe, innige Religiosität ohne hervortretenden Hang zur Schwärmerei, Redlichkeit, Arbeitsamkeit und Sinn für Ordnung und Reinlichkeit, auch sind sie, trotz ihres fröhlichen Gemütes, einfach und genügsam.

Ob es wahr ist, was man ziemlich allgemein den Voigteiern nachsagt, daß sie nämlich, wenn sie in wirklichen oder

eingebildeten Rechten sich verletzt glaubten, einen bis zur Unnatur gesteigerten störrischen Sinn behaupten und lieber

Alles auf das Spiel setzen sollen, als nur zollbreit nachzugeben, ob dies, sage ich, wahr ist oder ob die Verleumdung

ihrem Charakter dadurch ein Makel anhängen will, muß ich unentschieden lassen- nicht selten indeß erhält man

Gelegenheit, die Aeußerung aus ihrem Munde zu hören:

"Möi behaupten onser Raagt on wann daar Kopf soll ronger gieha." (Wir behaupten unser Recht und wenn der Kopf

    sollte heruntergehen.)

Der Voigteier ist größtentheils großen und muskulösen Körperbaues. Starke Schultern, Lenden und Waden, so wie die eckigen schroffen Gesichtszüge zeichnen ihn vor den (übrigen Bewohnern der Ebene vor dem Hainich aus, so daß man ihn unter Tausenden leicht herausfinden kann.

In den Voigteiern scheint die Eigenthümlichkeit des alten deutschen Volkes, wie Tacitus es schildert, sich noch treulich aufbewahrt zu haben. Durchgängig findet sich, außer obigen Kennzeichen, auch das blonde Haar und das blaue, blitzende Auge, selbst der Handschlag gilt bei ihnen weit mehr, als bei den Einwohnern manches ändern Dorfes, weshalb die benachbarten Städte Langensalza und Mühlhausen gern mit ihnen verkehren.

Unter dem weiblichen Geschlechte findet man nur wenig Individuen, die sich durch schönen Wuchs und feine Züge auszeichnen, und selbst die wenigen Mädchen, die den Stempel Südthüringens im Antlitze tragen, verlieren bereits alle körperliche Schönheit schon in den ersten Wochen der Ehe, was sich aus physischen und psychischen Gründen wohl erklären läßt.

Der Dialect der Voigteier ist noch eben so, wie er sich bereits vor mehreren Jahrhunderten in diesem Landstriche ausgebildet haben mag, rauh, breit, oft mißlautend, voll sonderbar klingender Provinzialismen, welche die Sprache dem Fremden oft ganz unverständlich

Carl Rümpler-1844