Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit den 3 bedeutenden Wüstungen Lippershausen, Bütthausen und Tünchhausen hinter Niederdorla in Thüringen. Dieselben sind dem Namen nach (Endung –hausen) eindeutig fränkischen Ursprungs und wurden gezielt an einer wichtigen von Süden nach Norden führenden Fernstraße angelegt. Ebenso wie Mühlhausen und eventuell Heroldishausen und Oppershausen.
Die Siedlungsgeschichte der Deutschen beweist oft, daß ausgewanderte Menschen in eroberten bzw. neu zu besiedelnden Gebieten den neuen Wohnstätten häufig den Namen ihres Herkunftortes gaben. Solches geschah z.B. östlich der Elbe nach der Unterwerfung der Slawen ebenso wie in Siebenbürgen, auch bei den Wolga-Deutschen, welche die Zarin Katharina die II. um 1767 in ihr Land holte. In neuerer Zeit finden wir Beispiele in der jetzigen USA und in ehemaligen deutschen Kolonien. Auf Grund dieser Erkenntnisse begann ich die Suche in Franken nach etwa gleichnamigen Orten unseres Mühlhäuser Gebietes. Denn nach der Niederlage der Thüringer im Jahre 531 gegen die Franken dehnten letztere ihr Gebiet nördlich bis zum Harz aus und besiedelten es an strategisch wichtigen Punkten mit Ihren eigenen Leuten. Solche Orte waren Thüringer Königshöfe, Fernstraßen, Furte über die größeren Gewässer (Unstrut, Gera, Werra) sowie noch bestehende Heiligtümer. Das geschah aus politischen sowie kirchlichen Gründen ( Ausbau der eigenen Macht, Schutz vor den Sachsen aus dem Norden sowie Zerschlagung des Heidentums und die gewollte weitere Vorantreibung der Christianisierung in Thüringen). Obwohl dem alten Thüringer Adel das Christentum seit etwa dem Jahr 500 u.Z. bereits bekannt war! Denn König Hermannfried war mit der romanischen Christin Amalaberga verheiratet. Deren berühmte Nichte Radegunde wurde zu einer noch heute hochverehrten Heiligen. So, nun zu meiner Suche. Ich begann mit Mühlhausen. Orte mit diesem Namen fand ich je 1 mal in Frankreich und der Schweiz sowie 7 mal in Deutschland. Fündig wurde ich bei dem kleinen Städtchen Mühlhausen in der Oberpfalz südlich von Neumark. Unweit westlich diese Stadt liegt der Ort Körnersdorf (heute eingemeindet), nordöstlich den Ort Winnberg sowie die Dörfer Lippertshofen und Lengenfeld. Außerdem die Orte See, Weidenwang, Dietfurt und andere. Dann wurde ich stutzig. Denn ca. 30 km südwestlich von diesem Mühlhausen fand ich auch noch die kleinen Dörfer Altenlohe, Neulohe und - Thonlohe! Das könnte folgendes bedeuten: Unser Raum wurde um 600 bis 700 u.Z. von Franken besiedelt! Denn diese oder ähnliche Ortsnamen kommen bei uns heute noch vor (Mühlhausen, Körner, Windeberg, Lippershausen (Wüstung, Hofen = Hausen), Lengenfeld, Seebach ? Weidensee ?, Diedorf ?, Dorla (Thurnilohum). Es könnte Zusammenhänge geben – es muß aber nicht stimmen. Eventuelle Beweise für unseren Ort Thurnilohum als fränkische Siedlung könnte die immer noch währende Suche nach einer Martinskiche sein, das Vorhandensein einer alten Mühle (Grundmühle, Mühlen wurden von Franken in unserem Raum eingeführt), sowie die nachgewiesene Manufaktur unterhalb der Mallinden mit einem dortigem alten Herrensitz (Siehe Rolf Aulepp – er untersuchte gründlich die Siedlung bei den Mallinden). Dort müßte das alte Thurnilohum gestanden haben. Ein weiterer möglicher Beweis: Niederdorla taucht in alten Urkunden als dorla inferior, neddern dorla, niderndorla und untern dorla auf. (Ortsnamen schrieb man früher klein). Zu beachten ist der 2. Buchstabe „n“ in den Vorsilben. Auf Platt bzw. buersch bezeichnen wir heute noch dieses Dorf als „Nendorl“ – ebenfalls diese zwei n’s in der Vorsilbe. Mit dem Ortsnamen Oberdorla sieht es ähnlich aus. In alten Urkunden wird es häufig als obern dorla bezeichnet. Bei Martin Herwig fand ich auch uberdorla. Auf platt Ömdorl bzw. Emdorl. Die „verschliffene“ Vorsilbe deute ich als „über“. Nur zur Zeit der Erwähnungen dieses Ortes gab es die heutigen Umlaute ä, ö und ü in der Schriftform noch nicht. Meine Schlußfolgerung: Die damalige Siedlung Niederdorla lag unterhalb des Dorfes „Dorla“ - und Oberdorla lag darüber. Die Lage dieses alten Ortes befand sich zwischen den beiden heutigen Orten – also eindeutig bei den Mallinden in der Mitte der Gemarkung Dorla.
Nun zu dem slawischen Stamm der Wenden. Bereits Thiele behauptet 1902 in seiner Festschrift „Hundert Jahr unter Preußens Aar“, daß Wenden um das Jahr 1000 u.Z. die heutige Vogtei besiedelten. Otto Busch („Die Vogtei Dorla“) vermutet es auch mit folgenden Begründungen: Sitten und Gebräuche, die Bauart Ihrer Gehöfte (überbaute Torfahrten) sowie der Umstand, daß die Gegend um Wendehausen, Heyerode, Dorla und Langula noch in Urkunden des 15. Jahrhunderts „wendische Mark“ genannt wird (Lehnbriefe der Eichsfeder Familie von Hanstein). Ebenso ewähnt bei „vonWinzingerode- Knorr“ sowie bei Beier „Die Vogtei“. Prof. Martin Herwig schrieb in „Dorla, Dorla und Langula vor dem Hainich“ ,Seite3, daß die Frage, ob die Vogteier Wenden seien, noch einer Erledigung bedarf. Helmut Schäfer, Niederdorla, schrieb 1958 in einem Aufsatz über Pfingsten und Kirmes, daß friesische Spracheigenheiten und Namen bei uns auftreten. Weiter mit meinen Nachforschungen. Frühere Siedlungen der Wenden hießen „Ringlinge“. Solche finden wir heute noch im „Wendland“ links der Elbe unterhalb der Stadt Danneberg in Niedersachsen. Ein „Ringling“ als Ort besteht aus einem großen, mehr oder weniger runden freien Platz, der kreisförmig oder oval von Häusern umbaut wurde. Dabei zeigen die Giebel alle nach innen. Und die Kirchen stehen außerhalb dieses Ringes am Ortsrand. Nachts sowie in schlechten unsicheren Zeiten wurde das Vieh zum Schutz in diesen Ring getrieben. Wie bei unseren Siedlungskernen um den Anger. Ich habe eine Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1953 mit der Niederdorlaer Flur sowie unserem Nachbarort Oberdorla. Darauf ist eindeutig in unseren Ortskernen die gleiche Struktur wie bei den wendischen „Ringlingen“ zu erkennen. Unsere Anger waren früher einfach Weiden für das Vieh in den Nachtstunden. Unsere Orte in der Vogtei wuchsen aber bald in ihrer Ausdehnung nach unbekannter Aufgabe des Ur-Dorla. Ebenso vergrößerten sie sich mit den Bewohnern benachbarter ehemaliger Orte, die zu Wüstungen wurden. Einen weiteren Hinweis zu den Slawen oder Wenden finden wir auf dem Anger in Oberdorla. Dort stand bis nach 1600 u.Z. eine Nikolauskapelle. Dieselbe war bestimmt wesentlich älter als die dortige Kirche. Denn das Kirchen-Patronat eines heiligen Nikolaus begann im deutschsprachigem Raum erst um die Jahrtausendwende. Die erste dem heiligen Nikolaus geweihte Kirche in Deutschland entstand um 980 u.Z. in Brauweiler bei Köln. Später wurde dieser Name als Kirchen-Patron bei weiteren 2200 Kirchen nördlich der Alpen erwählt. Aber – einige Jahrhunderte vor dem Bau der Oberdorlaer Kirche um 987 wurde der heilige Nikolaus bei den Slawen schon sehr verehrt! Also könnte diese Kapelle auf dem Oberdorlaer Anger von Sorben, Wenden oder anderen Slawen erbaut worden sein.
Ein weiterer Beweis: Unsere Sprache. Den Vogteiern wird nachgesagt, das sie das R rollen können wie kein anderer in unserer Gegend. Das können die Niederlausitzer (auch ein slawischer Stamm) mindestens genauso gut. Ein weiterer Hinweis zu den Wenden hier: In der 5. Klasse 1956 lernte ich Russisch bei dem Lehrer Gerlach. Dieser hatte in Niederdorla gerade seinen Schuldienst angetreten. Nachdem er einige Tage zwangsläufig unser platt mit anhören mußte, sagte er zu uns: „Mensch, Ihr seid ja Russen!“ Seine Begründung: „Das vogteier „wir“ (auf platt mei) hört sich genauso an wie in Osteuropa“. Ein weiteres kleines Beispiel bringen uns „Die Randfichten“ aus dem Erzgebirge. Dieselben singen in Ihrer Mundart. Das hochdeutsche Wörtchen „der“ klingt in ihren Liedern genau lautgleich wie hier in der Vogtei – nämlich „dar“. Einige Namen in der Vogtei weisen auch auf einen slawischen Ursprung hin. So die mit der Endung –au. Nach Konrad Kunze „dtv Atlas Namenskunde“ wurden später solchen Endungen oft noch eine weitere –„ge“ angehängt. Wie bei uns! 1541 gab es mindesten 4 mal den Nachnahmen Sebenau in Niederdorla. 1575 und 1602 erscheint der Name in der Vogtei als Siebenauge. Ähnlich wird es dem Namen Fernau zeitweise ergangen sein. Otto Busch z.b. erwähnt in „Die Vogtei Dorla“ einen Georg Fernauge aus Niederdorla als gefallenen Soldaten während des Rußlandfeldzuges von Napoleon. Und auf platt sagen wir zu den Fernau’s immer noch Fernöiwe (Öiwe – hdtsch. = Auge).
Zurück zur Überschrift. Wir werden wohl mehr oder weniger Blut von allen genannten Stämmen in uns haben.
Nicht weiter erklärte Quellen fand ich im Internet.
Wolfgang Hünermund , Niederdorla im Oktober 2008